Liebe Leser*innen,
zahlreiche kommunale Leistungen im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) als Online-Prozesse zu entwickeln, ist allein schon ein Mammutprojekt. Dazu im Corona-Krisenmodus – da musste nochmal mehr Tempo aufgenommen werden. Denn die Pandemie hat gezeigt: Ein digital funktionierender Staat ist essenziell.
Das OZG und der digitale Antrag bringen uns ein gutes Stück voran. Ende des Jahres werden wir circa 60 bis 70 Prozent der Verwaltungsleistungen so digitalisiert haben, dass digitale Anträge gestellt werden können. Aber noch weiter vorwärts kommen wir, wenn wir die erfassten Daten automatisch in die Fachverfahren übernehmen können. Und richtig weit kommen wir dann, wenn wir uns von einer antragsbasierten Verwaltung hin zu einer serviceorientierten, datenbasierten Verwaltung entwickeln.
Denn die Verwaltung hat die Daten der Bürger*innen bereits und wäre beispielsweise in der Lage, den Bewohnerparkausweis direkt auszustellen, wenn der Bürger, die Bürgerin umzieht. Oder bei der Geburt eines Kindes könnten die nächsten Verwaltungsschritte und Leistungen automatisch und digital eingeleitet werden. Modellkommunen zeigen, wie's geht. Und bleiben dabei eng am bestehenden europäischen „Once-Only-Prinzip“: Einmal erfasste Daten können für weitere Verwaltungsprozesse genutzt werden – nach Kenntnis und Zustimmung durch den Nutzer, die Nutzerin.
Wir brauchen in Deutschland ein besseres Verständnis und eine bessere Nutzung der „Verwaltungsdaten“. Dabei ist Transparenz ganz wichtig: Datenschutz muss nicht nur sicher, sondern auch nachvollziehbar sein. Ein wichtiges Thema, das die Europäische Kommission aktuell treibt, ist die digitale souveräne Identität für jede/n Bürger*in über eine App auf dem Smartphone – vom Staat garantiert und vom Nutzer, der Nutzerin dezentral verwaltet. Diese Self-Souvereign Identity (SSI) wäre ein großer digitaler Schritt in Europa. Und eine gute Basis, um auch unsere öffentliche Verwaltung weiter zu digitalisieren.
Die Corona-Krise hat zur weiteren Digitalisierung auf den unterschiedlichen Ebenen der Verwaltung beigetragen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wird ein Verstärker für die Schaffung einer digitalen Resilienz der öffentlichen Verwaltung sein. Hier sind neue innovative und gemeinsame europäische Lösungen gefragt, um die öffentliche Verwaltung digital verteidigungsfähig zu machen und zu halten.
Wir müssen offener, schneller, experimentier- und risikofreudiger werden und auch aus Fehlern lernen dürfen. Sicherheit und Agilität sind kein Widerspruch, sondern in dieser kritischen und schweren Zeit in Europa unverzichtbar. Lassen Sie uns weiter gemeinsam unsere digitale Zukunft gestalten, selbst bestimmend und vorausschauend. Wir wollen treiben, nicht getrieben werden.
Eine anregende Lektüre wünscht

Dieter Rehfeld
Vorsitzender der regio iT-Geschäftsführung